Nur eine Theorie

Die Frage war:
Wieso nennt man die Relativitätstheorie und Evolutionstheorie eigentlich immer noch ‘Theorie’?
Die Antwort muss lauten:
Weil sie das sind. Ein System von Theoremen, die ein Modell der Realität darstellen, das es erlaubt Vorhersagen über die Welt zu machen. In voller Länge ausgeführt in The Quark And The Jaguar: Adventures in the Simple and the Complex . Das Buch geht auf diesen Aspekt und noch viel mehr ausführlich ein und ist generell hilfreich um zu verstehen, was Wissenschaft ist und was nicht.
Ich glaube, es wird noch sehr lange dauern, bis wir über den Punkt hinaus sind, nur mit Modellen unser Universum beschreiben zu können.
Wir sind an diesem Punkt schon lange. Genau genommen seit der Aufklärung . Es ist das Wesen des Modells, einen Gültigkeitsbereich und Fehler zu haben, und Vorhersagen zu liefern.
Was soll das bedeuten?
- Vorhersagen
- Die Newton’schen Gesetze beschreiben die Bewegung von Dingen mit Masse im Vakuum bei subrelativistischen Geschwindigkeiten.
- Scope
- Die Vorhersagen dieser Gesetze funktionieren nicht in einer Atmosphäre, weil dort Reibung ins Spiel kommt. Sie funktionieren nicht bei relativistischen Geschwindigkeiten, weil dort Fehler dazu kommen, die die Gleichungen von Newton nicht berücksichtigen.
- Fehler
- Wir wissen, daß Newtons Theorien eine Vereinfachung sind, und daß Einsteins Formeln den Sachverhalt genauer beschreiben. Aber Einsteins Formeln degenerieren für v«c zu denen von Newton, die relativistischen Terme von Einstein sind nahezu Null, wenn sich Objekte viel langsamer als das Licht bewegen.
Es ist der Sinn von Modellen, Vorhersagen zu machen wie sich die Welt verhält. Das Modell ist dabei oft beschränkt und ungenau, was aber seine Anwendbarkeit nicht einschränken muss. Wir können oft Fehler hinnehmen oder Beschränkungen im Anwendungsgebiet akzeptieren, wenn wir so schnell und mit einfacher Rechnung zu Abschätzungen kommen, die für die intendierte Anwendung genau genug sind.
Ist eine Theorie, die bewiesen wurde, nicht mehr von alleine keine Theorie mehr? Sondern vielmehr ein Fakt?
Du meinst „Hypothese“, wo du „Theorie“ schreibst.
Nope. Man hat eine Hypothese. Dann stellt man eine Theorie auf, forscht und beweist diese. Oder auch nicht. Dann beantragt man mehr Forschungsgelder …
Eine Theorie, ein System von Theoremen, ist nicht bewiesen und oft auch nicht korrekt. Es ist oft bekannt falsch, beschränkt oder ungenau, oder alles davon.
Darum mein Abzielen auf Vorhersagen. Daltons Atommodell ist beschränkt, war aber in der Lage, Dinge zu modellieren, die vorher nicht modellierbar waren. “Wieso reagieren Wasserstoff und Sauerstoff immer im Verhältnis 2:1 in der Knallgasreaktion?” ist eine Frage, die Dalton’s Atommodell ganz wunderbar beantworten kann.
Thompson, Rutherford, und dann Bohr haben bessere (genauere) Modelle, die an Ende als Verfeinerungen oder Verkomplizierungen von Dalton aufgefasst werden können. Diese Modelle leisten, was ihre Vorgänger jeweils konnten und mehr (größeres Anwendungsgebiet, bessere Genauigkeit).
Du kannst eine Theorie “beweisen”, indem Du sie für Vorhersagen verwendest und dann schaust, ob die taugen. Du kannst sie widerlegen: Die Vorhersagen sind unzutreffend oder für den Zweck zu ungenau.
Du kannst nichts tun, wenn die Theorie keine Vorhersagen liefern kann. Das Wesen von Wissenschaft ist, dass Theorien Weltmodelle liefern, die Vorhersagen machen, die sich in Experimenten prüfen lassen.
Deswegen bleiben Theorien dennoch immer Theorien, Systeme von Theoremen, und sie bleiben unvollkommen. Sie sind Modelle, also effektiv Vereinfachungen der Realität, mit Anwendungsgebiet (sie “modellieren” etwas) und Genauigkeitsgrenzen.