Gamification

isotopp image Kristian Köhntopp -
February 28, 2012
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Google Maps Leaderboard

Neu in Google Maps: Leaderboard, bei dem man um Checkin-Punkte kämpfen kann.

Wenn man auf so ein Management-Simulationsseminar geht, dann haben die da gerne so Rollenspiele zum Einüben des Gesagten. Vor einigen Jahren haben sie uns kurz vor Schluß einer solchen Veranstaltung die Aufgabe gegeben, einen Jahresbonus auf Mitarbeiter zu verteilen. Es gab also einen Topf, der war kleiner als ’letztes Jahr’, und wir hatten alle ‘Mitarbeiter’, komplett mit einer Hintergrundgeschichte, persönlichen Problemen und solchen Sachen.

Dann wurden wir zusammengesetzt und bekamen die Aufgabe “Dies ist die letzte Übung für heute. Teilt den Topf gemeinsam auf, legt dazu den Fall für Euren Mitarbeiter dar gemäß der Dinge, die wir heute gelernt haben und dann einigt Euch. Es muß eine Einigung geben bevor wir in die Kneipe gehen können, ihr habt 45 Minuten Zeit. Für 1 Euro/Minute könnt Ihr mehr Zeit kaufen.”

Sie hatten mich bei ’letzte Übung’ und ‘Kneipe’. Brillianter Scheiß.

Schalten wir also mal die Suspension of Disbelief ab und analysieren die Situation: Es geht um nix, Missionsziel ist also ‘möglichst schnell in die Kneipe’:

Wir nehmen den Topf, teilen ihn in n gleiche Teile und sind fertig. Die erste Runde geht auf mich.

Leider habe ich nicht mit meinen Mitspielern gerechnet. Die nahmen die Aufgabe ernst und wollten das jetzt ausdiskutieren. Nun gut. Das kann ich auch.

Ich nahm also den Vorjahres-Bonus meines ‘Mitarbeiters’ und legte fest ‘Ich bekomme diese Summe.’ Man wollte eine Begründung.

Ich lächelte, griff in die Tasche, zog ein dickes Bündel Geldscheine raus und legte sie auf den Tisch. ‘Ihr wolltet nicht in die Kneipe. Das Geld hier reicht bis 4 Uhr in der Früh und es bindet Euch alle inklusive der Referenten hier an den Tisch. Ihr könnt gleich einwilligen oder noch so lange warten bis wir es alle gemeinsam Scheiße finden und der Abend im Eimer ist. Aber ich werde meinen Standpunkt nicht ändern, sondern die Sache einfach aussitzen.’

15 Minuten später saßen wir in der Kneipe.

Google Maps Checkins

Sinnlose Checkins zur Punktemaximierung.

Gamification is the use of game design techniques and mechanics to enhance non-games. Typically gamification applies to non-game applications and processes (also known as “funware”), in order to encourage people to adopt them, or to inflence how they are used. Gamification works by making technology more engaging, by encouraging users to engage in desired behaviors, by showing a path to mastery and autonomy, and by taking advantage of humans’ psychological predisposition to engage in gaming.

Das setzt natürlich voraus, daß die Anreize, die das Spiel gibt, und die tatsächlichen Missionsziele, die da als Spiel verpackt werden sollen, in irgendeiner Weise übereinstimmen oder übereinstimmend gemacht werden können.

In dem Beispiel oben sind eine ganze Reihe von Dingen kaputt: Mein Missionsziel (Kneipe!) stimmt ganz offensichtlich nicht mit dem Missionsziel der Referenten überein, die sich das Spielchen ausgedacht haben. Es geht außerdem im Spiel um nichts, während die Belohnung “Kneipe” sehr real ist.

Und man gibt einem Spieler realweltliche Kontrolle über das Spiel, indem man es an realweltliche Ressourcen bindet. Wenn einer nur genügend Kamikaze-Attitüde an den Tag legt kann er so das Spiel nach belieben manipulieren. Die Drohung alleine reicht aus, um den Spielausgang zu bestimmen.

In meinen Augen ist das ein zentraler Fehler aller Gamification-Ansätze, die ich bisher gesehen habe. In dem Moment, wo man Leute im Spiel hat, die die SoD abschalten und das Spiel nach den Spielregeln analysieren, statt seinen realweltlichen Zielen, die es verpacken soll, brechen diese Ansätze alle auseinander. Es kommt zur Einführung von Sonderregeln und am Ende zur Legalisierung der Willkürregel der Spielleitung (“Spielzüge, die offensichtlich zur Ausbeutung von Schwächen der Spielregeln gemacht werden, sind ungültig, auch wenn sie nach den Regeln legal sind.”).

Am Ende artet das Ganze in eine Art NOMIC -Partie aus, weil in jeder Gamification die Ziele der realen Welt und der spielerischen Verpackung niemals perfekt übereinstimmen. In dem Moment wo man ernsthafte Spieler hat, die das Spiel gewinnen wollen, anstatt sich mit dem realweltlichen Problem dahinter zu beschäftigen, wird jedes dieser Spiele zu einer Partie Nomic degenerieren, weil die realweltlichen Interessen der Veranstalter und die Interessen der ernsthaften Spieler sich beißen. Regelanwälte diskutieren Grenzfälle, und erweitern die Regeln zu einem Komplex, der am Ende zu kompliziert ist, um noch Spaß zu machen. Oder man bekommt Munchkins im Spiel - Powergamer, die nach den Regeln optimieren und allen anderen den Spaß am Spiel nehmen (außer man spielt Munchkin , das genau das zum Spielprinzip erhebt).

Am schnellsten degeneriert die Situation, wenn man Gamification auf Programmierer; Leute, die mal im Security-Bereich gearbeitet haben oder Politiker losläßt: Diese Leute sind darauf trainiert, Grenzfälle in Regelsystemen zu erkennen und gegebenenfalls auszunutzen.

Das sieht man auch sehr schön am “Leaderboard”, das Google nun in Google Maps Checkins eingebaut hat. Dort bekommt man zwei Gummipunkte für den ersten Checkin an jedem Ort in der Woche, einen weiteren Punkt für jeden weiteren Checkin an einem Ort in einer Woche und drei Punkte für die Definition eines neuen Ortes.

Was sind die Ziele von Google?

Was wird passieren, wenn Personen ihren Score optimieren wollen?

Analysiere und diskutiere.

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»The gimmick of a sales contest, in which first prize is a Cadillac Eldorado, second prize, “a set of steak knives,” and third prize “you’re fired."«

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