Kostenloskultur

Dirk von Gehlen schreibt in Journalistisches Freibier über den Kampfbegriff der ‘Kostenloskultur’ im Internet und daß es diese so nicht gebe. Er sagt
Es ist dringend notwendig, neue Erlösmodelle für verlegerische Angebote im Netz zu entwickeln. Vermutlich wird das aber so lange nicht gelingen, wie dieses Missverständnis der Umsonst-Kultur im Raum steht….Mir ist niemand bekannt, der an diese Umsonst-Kultur glauben würde. Die gibt es nämlich nicht. Es ist vielmehr eine Kultur, die auf anderen Finanzierungsmodellen beruht als die klassische Bezahlkultur….Ähnlich wie die falsche Rede vom Diebstahl zeigt die vermeintliche Kostenlos-Kultur, dass es an den sprachlichen Mitteln fehlt, die Veränderungen der Digitalisierung zu fassen (…). Vielleicht ist es tatsächlich so, dass wir die Revolution, die das Internet angestoßen hat, erst dann produktiv nutzen können, wenn wir Begriffe gefunden haben für das, was sich gerade verändert.
Marcel Weiss schlägt in Sprachfehler: ‘Diebstahl geistigen Eigentums’ und ‘Kostenloskultur’ noch einmal in dieselbe Kerbe:
Besonders für Presseverlage ergibt die Rede von der Umsonstkultur keinen Sinn:Zum einen sind Presse-Erzeugnisse seit 180 Jahren mehrheitlich werbefinanziert und werden damit auch mehrheitlich unter Kosten an die Leser verteilt. Zum anderen setzen die Presseverlage zumindest in Deutschland online seit Jahren verstärkt auf Bezahlschranken.Wenn die Presseverlage in Deutschland keinen finanziellen Fuß auf den Internetboden bekommen, dann ist demnach nicht die ‘Umsonstkultur’ des Internets schuld, sondern, wenn schon, dann die ‘Bezahlkultur’ der Presseverlage.
Unterdessen finden sich anderswo interessante Beispiele, die das “Problem” weiter beleuchten. Bei Techdirt etwa:
Can One Guy Educate The World Via YouTube? ist ein Bericht über The Khan Academy von Sal Khan.
About a year ago, Sal sent me an email mentioning a project he was working on called the Khan Academy, in which he videotapes himself teaching various educational lessons on anything from math to chemistry to history to finance and beyond. He even has a whole special section on the credit crisis, with an analysis of both former Treasury Secretary Paulson’s plan, as well as current Treasury Secretary Geithner’s plan.
Sein Youtube-Channel bekommt nun über 100.000 Zuschauer pro Tag.
Das ist das, was das Internet verändert: Die Anbieter von Produkten für Geld treten nun nicht nur gegen Freibierverteiler an, die Sachen um der Werbewirkung willen begrenzt umsonst weggeben, sondern sie treten auch gegen Ethusiasten an, die aus Spaß an der Freude im echten Geiste des Amateurs Dinge mit unbegrenzt viel Aufwand produzieren. Und dann unbegrenzt und in beliebiger Menge verfügbar machen können, weil die Reproduktionskosten von virtuellen Gütern für alle praktischen Zwecke Null sind.
Dieses Stück Markt existiert dann faktisch nicht mehr, weil eine Produktion für Geld statt aus Liebe in finanzieller und qualitativer Hinsicht kaum konkurrieren kann.
Das ist es, was sich durch das Internet ändert und darauf müssen die Marktakteure reagieren lernen: Wenn sich ein Produkt nicht verbraucht und nicht verknappt, dann kann es nur durch Qualität verdrängt werden. Das aber bedeutet, auf der Arbeit von anderen aufbauen und verbessern, statt auf der Grünen Wiese etwas eigenes von Null zu starten - es bedeutet, daß das Überleben in Kooperation und Weiterentwicklung statt in Konkurrenz und Verdrängung liegt. Und das wiederum bedeutet erst einmal, als Firma sinnvoll kommunizieren zu lernen.
Kein Wunder, daß sich damit so viele Firmen schwer tun.