Das gespaltene piratische Verhältnis zur Identität

isotopp image Kristian Köhntopp -
March 7, 2010
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Die inhaltliche Debatte um Aaron Koenig ist ein wenig abgeklungen, und auch der Berliner Landesparteitag der Piratenpartei ist durch, sodaß ich einmal die Gedanken zu Blog bringen kann, an denen ich im Rahmen der Debatte immer wieder hängen geblieben bin, obwohl sie mit den Inhalten primär nur am Rande zu tun haben.

Da ist zum Beispiel das seltsame Verhältnis der Piraten zur Identität, speziell zur Wahl und zum Gebrauch von Namen. Wenn man sich einmal die Benutzernamen im Wiki der Piratenpartei anschaut, oder in einem beliebigen Forum , dann findet man da eine bunte Mischung von Nicknames und auf den Benutzerseiten dann in der Regel keinen Hinweis auf eine reale Person, eine Homepage oder ein Profil mit echten Inhalten in einem Social Network Dingens.

Andererseits ist da Aaron Koenig, von dem jemand herausgefinden haben will, daß in seinem Personalausweis Stefan Koenig stehe, und quer durch die Blogs geht eine Reihe von Stefan “Aaron” Koenig-Artikeln komplett mit Anführungszeichen.

Das ist eine ans trollende grenzende Schizophrenie, die sich mir komplett nicht erschließt.

Also, da ist einmal das Namensrecht in Deutschland , das in der Konstruktion schon mal kaputt ist: “Im derzeit geltenden Namensrecht gilt der Grundsatz der Unabänderlichkeit des Namens. Der Name darf nicht eigenmächtig und willkürlich geändert werden.” Dafür gibt es in einer modernen Verwaltung keinen Grund, und in der Tat ist das eine deutsche Besonderheit, die in anderen Rechtsordnungen so nicht umgesetzt ist - und dabei kommt man dort sogar obendrein noch ohne einen Personalausweis aus (siehe auch die Katze zu diesem Thema).

Auch den Piraten ist die englische Idee von Identität näher als die Deutsche - Anonymität ist ihnen wichtig.

So wichtig, daß es zum Teil bis in das Absurde geht, wenn mir etwa gesagt wird, daß jemand eine Petition, die ihm wichtig ist, nicht unterzeichnen möchte, weil dann sein Name mit dieser politischen Sache in Verbindung gebracht werden kann. Nun ist es in der Tat so, daß das Wahlgeheimnis weiter reicht als so mancher annimmt, aber es ist auch so, daß man kaum Politik machen kann, ohne dabei als Person in das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Man wird damit ab einem bestimmten Punkt nun einmal zu einer Person der Zeitgeschichte und der rechtliche Status, unter dem man agiert, verändert sich.

Das ändert aber nichts an der Feststellung, daß zur informationellen Selbstbestimmung im Sinne der Piraten auch die freie Wahl des eigenen Namens gehört und daß die ganzen süffisanten “Anführungszeichen-Aaron”-Kommentare unpiratig und fehl am Platze sind.

Es ändert andererseits auch nichts an der Feststellung, daß ich trotz meiner zwei Dekaden Onlineerfahrung so meine Probleme habe, mit einem “Horst Acker” oder einem “Phil Antrop” über Politik oder politische Personen zu reden. Politik sollte mit offenem Visier gemacht werden, denn es geht um Menschen und für was sie stehen. Anders ausgedrückt: Ich habe einen Wunsch nach Verkettbarkeit weil ich, wenn es um Politik geht, einen Wunsch nach Reputation habe. Ich will wissen, was ich erwarten kann, wenn ich dieser Person vertraue. Denn in der Politik spielt Vergangenheit und der Umgang mit ihr nun einmal eine wichtige Rolle. Man kann nicht anonym und politisch aktiv sein, weil man nicht anonym Verantwortung übernehmen kann.

Mein Rat an Mitpiraten, die eine über den Forenstammtisch hinausgehende politische Rolle einnehmen wollen?

Wählt einen Namen, unter dem ihr eine Marke aufbauen wollt. Das ist wahrscheinlich der Name, der in Eurem Personalausweis steht - schaut Euch padeluun bei Markus Lanz an und wie schwer selbst dieser in meinen Kreisen recht etablierte Markenname “padeluun” dem Moderator über die Lippen geht.

Welchen Namen Ihr auch wählt: sorgt dafür, daß diese Marke Kontur bekommt und Leute vertrauen dazu fassen können, damit sie wissen, wofür ihr steht.

Und sorgt dafür, daß Ihr Euch mit Inhalten auseinander setzt und nicht den Namen von Personen, egal ob selbstgewählt oder von den Eltern ausgesucht.

Oh, und wenn Ihr Kinder bekommt: Da wir nun einmal das deutsche Namensrecht haben, solltet Ihr Euer Kind mit einem Vorrat an Namen ausstatten, damit es später einen zum Anlaß passenden Namen im Vorrat hat.

Und vielleicht macht Ihr Euch auch für ein liberaleres Namensrecht in Deutschland stark. Das geht aber nur, wenn ihr Herrn Koenig den Aaron laßt, sonst werdet ihr unglaubwürdig.

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