Die Netzsperren schlagen zurück

Bundespräsident Horst Köhler hat das Zugangserschwerungsgesetz, vulgo Zensursula-Gesetz, nun doch unterschrieben. Das muß er tun, denn der Bundespräsident hat gemäß Konstruktion unserer Verfassung nicht das Recht eines Vetos gegenüber der Regierung wie das etwa in der Weimarer Republik gewesen wäre.
Der Spiegel beschreibt das Ergebnis mit dem Absatz
Bundespräsident Horst Köhler hat an diesem Mittwoch mit einer einzigen Unterschrift nicht nur eine, sondern gleich zwei Bundesregierungen blamiert: Die Große Koalition der vergangenen Legislaturperiode, die das nicht nur umstrittene, sondern handwerklich völlig vermurkste “Zugangserschwerungsgesetz” gegen Kinderpornografie im Netz gemacht hat. Und die jetzige schwarz-gelbe Koalition, die das Gesetz eigentlich gar nicht mehr haben will, nun aber umsetzen muss.
und faßt die Situation so sehr schön zusammen.
Die ganze Geschichte dieses Gesetzes ist ein Testament fortdauernden Politikversagens: Erst die fragwürdigen Geheimverträge zwischen Regierung, BKA und Providern, dann die unsägliche Debatte mit dem Regierungs-sträuben gegen jeglichen Rat von Technik- und Verfassungsexperten, das Umfallen im Umfallen der SPD und deren Verkrachen mit ihrem Internet-Rat, die überhastete Verabschiedung des Gesetzes, während die erfolgreichsten Petition aller Zeiten noch lief, und schließlich das durch diese Aktivitäten mit herbeigeführte 2%-Ergebnis der Piratenpartei.
Die Anhörung ist übrigens am Montag und das Parlament debattiert über mögliche Aufhebungsgesetze dann am 25. Februar, wird diese aber alle aus Prinzip ablehnen, da die Vorschläge allesamt von der Opposition eingebracht worden sind und man einem politischen Gegner aus taktischen Gründen keinen Erfolg gönnen darf.
Wie dem auch sei: Jetzt ist das Gesetz, das plötzlich keiner mehr will, unterzeichnet und muß umgesetzt werden, bis auch dieses Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird - wenn man nicht vorher schon ein Aufhebungsgesetz machen will.
Damit nicht genug: Man redet von einem Löschgesetz statt eines Sperrgesetzes - aber die Rechtsgrundlage zur Löschung von Kinderpornograpie im Internet gibt es schon, wie die Piratenpartei in die Debatte einwirft . Und man baut gerade an einem Jugendmedienstaatsvertrag, dessen bekannt gewordene Version 2.0 noch mehr Eingriffe in die Kommunikation verpflichtend gemacht hätte als dieses unselige Gesetz es vorsieht. Dessen Version 3.0 wird dann bereits am 24. verhandelt , ist aber wegen des Drucks des Netzes zur Version 2.0 angeblich entschärft. Stattdessen setzt man auf elternseitig installierte Filterprogramme. Die werden zwar auch nicht funktionieren , aber immerhin niemandem schaden außer den Kindern der Eltern, die so was einsetzen.
Es gibt also wieder viel zu tun, solange wir noch offensiv dumme und internet-analphabetische Politiker haben. Oder, wenn man die böse Zynikerbrille aufsetzt, dann faßt man es wie Aleks und Alvar zusammen.