drsrm 2008: Universalis

Splitter des Imperiums (Uploads.pdf )
drsrm 2008 in Hannover geht nun zu Ende. Ich war von Freitag Mittag bis Sonntag Mittag da. Gespielt habe ich Shadowrun “über 30” nach Primetime Adventures-Regeln als Producer (“Spielleiter”), das Buffy/Angel-Rollenspiel mit einem Setting in Berlin und Universalis “Future Fantasy”. Aber der Reihe nach.
Universalis ist kein traditionelles Rollenspiel, sondern eine Art Autorenwerkzeug, mit dem man mit mehreren Personen über einen Plot verhandeln kann. Dabei müssen die einzelnen Autoren am Tisch nicht zwingend kooperativ arbeiten - Universalis würde vermutlich auch funktionieren, wenn man kompetetiv zusammen sitzt und sich mit den Mitteln von Universalis um den Plot streitet.
Dazu verwendet Universalis eine Menge von Coins (z.B. Pokerchips) und jede Menge W10. Man beginnt damit, daß die Mitglieder der Gruppe am Tisch reihum Dogmen kaufen. Dogmen können Content der Geschichte festlegen (“Es gibt interstellare Reisen”) oder verhindern (“Keine Jedi”). Sie können auch Spielregeln definieren (“Lebende Spielfiguren haben Lebenspunkte als Attribut”) oder Metaregeln festsetzen (“Keine Albernheiten in-game. Ihr könnt gerne out-game am Tisch kaspern, aber keine Witznamen für Personen und Orte oder ähnliche in-game Jokes. Die Strafe bei Verstoß sind zwei Coins.”).
Wenn Dogmen widerspruchslos von den anderen akzeptiert werden, kosten sie einen Coin, sonst werden von den Konfliktparteien Coins gegeneinander gesetzt bis eine Seite aufgibt (“Wenn Dir das so wichtig ist, dann ist es so wie Du sagst.”). Die gesetzten Coins gehen an die Bank.
Nachdem die Liste der Dogmen komplett erscheint, werden Szenen verhandelt.
Dabei muß für jedes Objekt und jedes seiner Attribute ein Coin bezahlt werden: “Eine 25km lange Waffenplattform (1 Coin) mit Sprungkapazität (1 Coin) und dem Namen (1 Coin) ‘Schwert des Imperiums’ materialisiert sich über dem Planeten.”
Dabei kann es zum Konflikt kommen: Es mag sein, daß andere Spieler das nicht so wollen, wie der aktuelle Erzähler die Situation schildert. In dem Fall kämpfen zwei Objekte gegeneinander: Die Eigenschaften der Objekte und jeder zusätzlich gesetzte Coin geben einen W10. Diese Würfel werden geworfen - 1-5 Augen sind ein Erfolg, 6-10 Augen ein Mißerfolg. Die Seite mit mehr Erfolgen gewinnt den Konflikt, die Summe ihrer Augen wird in Coins von der Bank bezahlt. Die unterlegene Seite erhält ihren Einsatz zurück.
Danach geschehen die Dinge so wie die Gewinnerseite erzählt.
In Universalis wird für alles bezahlt: Man kann sich auch Erzählrecht (“Unterbrechungen”) kaufen, oder sonstwie Coins in die Menge werfen um Dinge zu verändern.
Die Coins, die für Eigenschaften von Dingen oder Personen verwendet werden, gehen auf die Karteikarte des betreffenden Objekts. Das Objekt wird dadurch wertvoller und schwieriger aus der Handlung zu nehmen.
Wir sind in unsere Universalis-Runde mit der Vorgabe “Future Fantasy” hinein gegangen - dieses Genre reicht dabei von “Star Wars” bis “Riddick”. Was sonst noch passieren sollte war keinem der Anwesenden klar, Erwartungen oder Vorstellungen gab es nicht.
Nachdem wir Dogmen aufeinander getürmt hatten, entstand dabei eine Welt mit einem Wüstenplaneten a la Arrakis, auf dem Laserkristalle abgebaut werden, riesigen Sprungschiffen a la Babylon 5, digitalen Backups von Lebewesen, die auch auf Maschinen statt auf Körpern ausgeführt werden konnten und in neue Körper runtergeladen werden können. Talente, akausale Psi-ähnliche Begabungen, sind dabei an Körper, nicht an Identitäten gebunden und Unsterblichkeit gibt es für biologische Körper nicht.
Der Konflikt, vor dem alles andere sich abspielten sollte, entstand dabei quasi von selbst:
Unsere Dogmen bewirkten, daß alles biologische Leben sterblich ist und daß alles maschinelle Leben sich von den Menschen schnell entfremdet. Das 5000 Sterne umfassende Sternenreich, in dessen Nachfahren wir spielen wollten, ist deswegen zerfallen: Uploads, digitalisierte Menschen, entfremden sich von den lebenden Menschen nach einer gewissen Zeit, und die Upload-Kriege waren für den Untergang des Imperiums verantwortlich.
Aber in unserer Spielwelt ist es unmöglich, Körper ohne Bewußtsein herzustellen, sodaß ein Upload entweder nach 30 Jahren enden muß, bei seinem Download in einen neuen biologischen Körper das darin enthaltene Bewußtsein auslöschen muß oder zu einer unmenschlichen, nach menschlichen Maßstäben wahnsinnigen Existenz wird.
Vor diesem “epischen” Hintergrund finden dann noch kleinere, lokale Konflikte statt - zum Beispiel der Kampf um die Kristallwelt, der einzigen Quelle der für Laserwaffen notwendigen Kristalle.
Universalis ist ein guter Plotgenerator - wir haben damit Splitter des Imperiums (PDF) erzeugt. Ich glaube, ich kann mir Universalis als eine Formalisierung der Plot-Vorphase eines PtA gut vorstellen.
Besonders hat mich beeindruckt, daß das ganze in dem PDF geschilderte Universum als emergente Leistung der Gruppe entstanden ist - niemand ist mit dieser Idee oder etwas, das dieser Idee auch nur entfernt nahe kommt in die Runde hinein gegangen.
Szenario, Personen, Eigenschaften und Konflikte sind reihum durch Aufeinandertürmen von Dogmen, Challenges, Szenen und Conflicts entstanden. Und wenn man es, wie Harald es getan hat, als PDF mit ausformulierten Sätzen wie ein Sourcebook aufschreibt, dann haben wir pro Stunde etwa 4-5 Seiten Quellenbuch generiert. Das ist eine ganz gute Quote eigentlich.