Fertig gelesen: Charles Stross: Singularität

isotopp image Kristian Köhntopp -
July 23, 2006
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In einer Welt, in der alles möglich ist - wie können dann die, die von den Möglichkeiten überfordert sind, leben?

Charles Stross “Singularity Sky” zeichnet ein Bild einer transhumanistischen Welt. In dieser sind künstliche Intelligenz, Cyborgs, nanotechnologische Füllhörner, überlichtschnelle Kommunikation und Reisen, und damit auch Kausalität im Grunde keine Probleme. Damit setzen sie dem Leben auch keine Grenzen mehr. Wenn nicht eine nahezu allmächtige Existenz in der Zukunft der Menschheit ihre Entstehung sichern wollte: Dazu beschützt sie die Zeitlinie, die zu ihrer Entsteht führt und setzt den Wesen Grenzen, die innerhalb dieser Zeitlinie leben. Und wenn es in diesem Szenario nicht Zivilisationen gäbe, die den grenzenlosen Technologieschock der Singularität - dem überexponentiellen Anwachsen des technologischen Wissens - durch eine Art Retro-Kultur zu entkommen versuchen, und darum die technischen Möglichkeiten ihrer Bewohner künstlich beschränken.

Singularity Sky spielt auf “Rochards Welt”, einem besonders rückständigen Planeten der “Republik”, einem Verschnitt von zaristischen Ostblock-Kulturen komplett mit einer bolschewistischen Untergrundbewegung. Die Republik hat sich hinsichtlich der verfügbaren Technologie besonders strikte Regeln auferlegt. Als das Festival, ein Verbund transhumaner und nicht-humaner Intelligenzen, auf Rochards Welt eintrifft und die Bewohner der Welt mit den unerschöpflichen Möglichkeiten und Errungenschaften einer Zivilisation konfrontiert, in der materielle Güter keine Rolle mehr spielen, weil sie industriell, aber nach Maß und Wunsch produziert werden können, kommt es zu einer Revolution, die das Unterste nach Oben zu kehren scheint.

Bis sich herausstellt, daß die Revolutionäre eigentlich genauso konservativ wie die Herrscher sind: Die Möglichkeiten des Festivals sind von einer materiell-rückständigen Gesellschaft wie der auf Rochards Welt gar nicht faß- und aufarbeitbar. So kommt es, daß die Individuen, die die Transzendenz schaffen, sich dem Festival anschließen, während der Rest in der materiellen Welt zurückbleibt und wieder in die althergebrachten Strukturen verfällt - dies schließt interessanterweise Stross Helden mit ein: zwei Außenweltler aus der Erdkultur, denen es nicht weiter schwer fällt das Festival und seine Ziele zu verstehen.

Leider räumt Stross dem Expose und dem Technologieerklärungsmonolog zu viel Raum ein, anstatt sich um seine Figuren und ihre Entwicklung zu kümmern. Und leider hält man die Leser der deutschen Übersetzung für noch blöder, weil man ihnen die halbe Wikipedia in Fußnoten serviert, wann immer Stross in transhumanistische Gefilde abschweift. So wird aus einer Idee, die im Grunde Spaß machen könnte und die jede Menge Potenzial für inneren Konflikt der Charaktere hat dann doch ein relativ trockenes Buch, das ich in drei Anläufen gelesen habe.

(Ein anderer Review )

(Blog von Charles Stross)

(Charles Stross in der EN:Wikipedia)

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