Vorträge halten

isotopp image Kristian Köhntopp -
May 30, 2005
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Der folgende Vortrag stammt einem “Dienstags-Vortrag” in Karlsruhe-Durlach. Ich versuche zu erklären, wie man Vorträge plant und hält.

Vorträge hält man für eine bestimmte Zielgruppe, die man kennen und beschreiben können muß. Das heisst, man muss wissen, wofür diese Leute sich interessieren, warum sie im Vortrag sitzen werden und was ihr Kontext und ihr Vorwissen ist.

Ein Vortrag hat ein Ziel, wir wollen den Rahmen im Kopf der Zielgruppe ändern, also etwas erreichen.

Dazu müssen wir unsere Kommunikation kontrollieren und an diesem Ziel ausrichten. Dazu stehen uns die Folien, die Sprache und unser Auftreten als Referent/in zur Verfügung.

Und die Form muß stimmen, damit wir ernst genommen werden.

Ziel und Zielgruppe

Die Leute im Vortrag geben Dir ihr wertvollstes Gut um Dir zuzuhören: Ihre Lebenszeit. Du hast ein konkretes Ziel: Du willst in ihren Köpfen was verändern.

Ohne genau zu formulieren, was das ist und wo diese Leute jetzt, vorher stehen, kann das nichts werden.

Das bedeutet: Der Vortrag muß vorbereitet sein und hinterher auch so wirken. Denn sonst fühlen sich Deine Zuhörerinnen veralbert und nicht ernst genommen und sind nicht bereit, Deiner Argumentation zu folgen.

Was genau ist also das Ziel des Vortrages?

  • Willst Du etwas vermitteln (Neue Fertigkeiten)?
  • Willst Du zu etwas aufrufen (Appell zur Handlung)?
  • Willst Du Mittel einwerben (Aufruf zur Bereitstellung von Ressourcen)?
  • Willst Du etwas verkaufen?

Angenommen, alles läuft wie am Schnürchen: Wie soll das Ergebnis aussehen?

Zielgruppe

Wer sind Deine Zuhörer, wie denken sie? Was ist ihnen wichtig? Welchen Argumentationslinien sind sie zugänglich?

Wo willst Du sie hin bringen und ist das realistisch?

Was ist eine gute Geschwindigkeit? Beachte auch den Kontext, die Uhrzeit und was vorher passiert ist oder nachher passieren wird. Der erste oder letzte Vortrag einer Konferenz ist immer besonders.

Wie lange kannst Du das Durchhalten?

Agenda

Jeder Vortrag hat eine Agenda, einen argumentativen Ablauf. Man kann und soll dabei transparent sein, und diese Agenda vorher oder während der Vortrages mit einem Highlight anzeigen. Dadurch wissen Deine Zuhörer, wo wir sind, wie wir da hin gekommen sind und was noch kommt. Sie können ihr eigenes Engagement besser planen.

Für wen ist der Vortrag, und was muß der Zuhörer an Vorwissen oder Motivation mitbringen, um folgen zu können?

Wie ist der Vortrag aufgebaut? Es ist sinnvoll, die Grobgliederung in Stichworten zu visualisieren oder einen Prozessbalken oder x/y Anzeiger mitzuführen. Manche Themen lassen sich auch mehrdimensional (“als Landkarte”) darstellen und sind dann interessanter dargestellt.

Kommunikation kontrollieren

Alles im Vortrag hat sich dem Kommunikationsziel unterzuordnen. Es mag noch andere Themen oder wissenswerte Dinge geben, aber diese haben keinen Platz. Der Vortrag ist auch so lang genug. Du kannst weiterführende Hinweise in der Nachbereitung oder den Fußnoten unterbringen.

Nur zielführende und wesentlicher Folien haben einen Platz.

Es ist gut, Reservefolien oder weitergehende Erklärungen zu haben. Diese versteckt man in der Regel und zeigt sie nicht. Nur wenn Fragen aufkommen, kann man - wenn es die Zeit erlaubt - in diese Richtung vertiefen.

Jeder Vortrag ist individuell. Betrachte die Situation und das Publikum, dann ordne die Folien, verstecke unwesentliche Folien, passe Folien an.

Die magische Zahl

Sieben (plus oder minus Zwei)

Menschen können circa sieben Dinge mit einem Blick erfassen. Auf eine Folie gehören wenige, interessante Dinge. Niemals mehr als Sieben, eher weniger.

Du brauchst die Folien nicht vorzulesen und sie müssen nicht dem gesprochenen Wort entsprechen. Du brauchst sie auch nicht als Gedächnisstütze. Sie dienen nur der Kontextualisierung des Vortrags und des gesprochenen Wortes.

Niveau

Beim Schreiben gilt: Schreibe für ein Publikum von Achtjährigen. Verwende Hauptsätze, mache keine inhaltlichen Sprünge, setze kein Wissen über die Welt voraus. Deine Leser sind nicht dumm, aber sie haben keine Zeit, kein Vorwissen über Dein Thema und sind abgelenkt.

Wenn Du in einer Fachzeitschrift schreibst, ziele auf Zwölfjährige. Du kannst komplexere Sätze bauen, aber Du musst noch immer alle Schritte und allen Kontext transportieren. Auch hier gilt, dass die Leser nicht in Deinem Fachgebiet arbeiten und nicht Dein Vorwissen haben.

Beim gesprochenen Vortrag gilt ähnliches: Deine Worte müssen den Zuhörer auf eine Reise mitnehmen und jeden Schritt machen, jeden Kontext herstellen. Nur dann können und wollen sie folgen.

Bilder

Bilder sind gut. Dieser Vortrag hat zu wenige davon!

Bilder sind groß, aussagekräftig, bunt und haben keine feinen Linien oder subtilen Farbkontraste. Sie verdeutlichen Dinge meistens besser als viele Worte.

Manche Begriffe lassen sich jedoch wegen Abstraktion nicht gut visualisieren.

Sprache

Deine Zuhörerinnen können lesen und tun das auch. Du brauchst ihnen die Folien nicht vorzulesen. Sie sind auch kein Ersatz für den Aufschrieb oder einen geschlossenen Text, der das Thema noch vertieft.

Der Vortrag liefert also Anekdoten und Bilder, die das Thema erinnerbar machen. Sie gehen den Rahmen und die Erzählung vor, und setzen damit den Kontext, indem die anderweitig bereitgestellten Fakten rezipiert, erinnert und verarbeitet werden.

Publikum

Halte den Rapport zum Publikum. Suche Dir einige Personen an verschiedenen Orten im Raum, und wenn Du den Blick durch den Raum schweifen läßt, schaue immer wieder zu diesen Personen. Dadurch fühlen sich alle in der Nähe angesprochen, und Du hast Messpunkte, an denen Du sehen kannst, ob Du die Aufmerksamkeit im Raum halten kannst. Das sollte auch Dein Tempo bestimmen.

Sprich Hochdeutsch und plappere nicht! Du willst vortragen, und das heisst eine flüssige, eingeübte sprachlich und argumentativ zusammenhängende Rede.

Wer sind die Extrempersonen im Raum? Fans, Skeptiker, Entscheider, Influencer? Es kann sinnvoll sein, schon während der Vortrags vorher im Raum zu sein, wenn das Publikum bleibt, oder vor dem Vortrag rechtzeitig da zu sein und Personen zu identifizieren und zu klassifizieren.

Wähle diese Personen um den Raum zu lesen. Stimmt das Tempo? Stimmt der Spannungsbogen?

Noch mehr Publikum

Tempo 120%. Auf diese Weise sind alle gezwungen, mit Aufmerksamkeit bei Dir zu bleiben und nicht wegen Langeweile abzuschweifen.

Bei einer Gruppe von Schulklassengröße kannst Du eine Person durch zu hohes Tempo verlieren, aber nicht zwei. Bist Du zu langsam, verlierst Du sehr schnell alle.

Form

Was ist Dein Auftritt? Ist es ein Vortrag (Du redest und stehst vor den anderen)? Ein Workshop (Du stehst vor den anderen und beantwortest Zuhörerinnenfragen)? Ist es eine moderierte Dikussion (Du und eventuell andere Reden abwechselnd, in Rede und Gegenrede)? Eine Rede (Also nicht erklärend wie ein Vortrag, sondern appelativ und emotional)?

Arbeite die Unterschiede dieser Formen heraus und wähle die für den Anlaß und das Ziel richtige.

Zeit

Wie lang? 10-20 Minuten sind ein guter Block für einen thematisch zusammenhängenden Block. In der Schule wäre nach so einem Abschnitt “Methodenwechsel” oder themenwechsel zum nächsten Abschnitt, oder beides.

45 Minuten sind eine Schulstunde und brauchen 2-3 klar trennbare Abschnitte, und eine führende, sichtbare und wiederkehrende Navigationsstruktur.

90 Minuten sind sehr lang, ein Universtätsvortrag, und brauchen die Stukturierungen und Methodenwechsel von oben, und Tempowechsel, die den Zuhörerinnen erlauben, die Konzentration auch mal ruhen zu lassen.

Wann ist der Vortrag? Randzeiten haben direkten Einfluß auf die Form. Der erste Vortrag eines Tages darf freier und lockerer sein, überblick statt Tiefe geben und kann Stimmung und Thema setzen. Er darf auch kontrovers sein, und eine Gegenthese zum Rest des Tages aufstellen, wenn sich das anbietet. Der letzte Vortrag eines Tages ist oft lustiger, weil er als Rausschmeißer das Letzte zwischen der Veranstaltung und dem gemeinsamen Essen und Trinken ist. Er fasst den Tag oder das Thema oft mit Humor zusammen.

Murphy

Rechne damit, dass alles zusammenbricht. Kannst Du Deinen Vortrag mit einer Wandtafel und einem Stück Kreide durchziehen? Mit einem Whiteboard und drei Filzstiften? Das ist Dein Notprogramm, wenn wirklich alle Stricke reissen.

Was für Technik erwartet Doch? Ist die getestet? Hast Du alle denkbaren Adapter, Notstrom? Was ist Dein Plan B, C und D? Hast Du den Vortrag nicht nur auf Deinem Computer und an den Veranstalter gemailed, sondern auch auf einem USB-Stick “selbstabspielend” dabei? Was ist, wenn das Netz weg ist?

Spiegelcheck vor dem Betreten der Bühne. Haare, Zähne, Kleidung, Hosenstall, Schuhe?

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