Abschied aus dem USENET

Das älteste Posting, das Google Groups von mir hat, ist
von Mitte 1989
.
Ich schrieb damals als kris@tpki.UUCP
aka ...!mcshh!tpki!kris
.
Für die mit der Gnade der späten Geburt gesegneten:
Damals hatten wir noch kein automatisches Routing und auch keine direkten Verbindungen wie im Internet.
Mail wurde über Modem-Links von System zu System weitergegeben.
Da wir kein automatisches Routing hatten, musste man mit dem sogenannten Bang-Path (wegen der Ausrufezeichen, Bang!) die Systeme angeben, über die die Nachricht transportiert wurde.
...!mcshh!tpki!kris
ist also der Pfad zu meiner Mailbox ab dem damals relativ bekannten System mcshh.
Hostnamen waren weltweit eindeutig, da es noch keine Domains gab.
Systeme mussten sogenannte Mapschnipsel veröffentlichen, in denen sie ihren Namen und ihre Verbindungen zu anderen Systemen bekannt gaben.
Ein Eintrag wie oski tpki(DAILY)
deklarierte dann eine Verbindung zwischen den Systemen oski
und tpki
, die einmal pro Tag Mail abgeholt hat.
Mit dem Programm pathalias
konnte man die Liste der Mapschnipsel nehmen und in Routingtabellen der Form oski kriski!tpki!oski!%s
umgewandelt werden.
Diese Tabellen stellten das Netz aus der Sicht des Absenders dar, sodass eine Mail an olaf@oski
automatisch in den Bang kriski!tpki!oski!olaf
umgewandelt werden konnte.
Zusammen mit den Mails wurden über die Modemverbindungen damals auch die USENET News ausgetauscht. Damals hatte man in der Regel einen lokalen News-Server auf seinem System laufen und die eingehenden News wurden eingelesen und auf dem lokalen News-Server bereitgestellt. Abgehende Artikel wurden lokal auf dem eigenen System veröffentlicht und auf allen angeschlossenen Systemen verbreitet. Weil jeder Artikel eine eindeutige ID hatte, konnte ein System erkennen, ob ihm ein Artikel mehrfach zugestellt wurde und Duplikate verwerfen. Artikel haben sich so im “Flood-Fill Verfahren” im Netz ausgebreitet und waren in tausenden Kopien auf allen Servern verfügbar.
Für mich waren USENET News und Mail damals der Einstieg ins Netz - lange vor Internet und drei Jahre vor der Erfindung von http.
Sie waren für mich auch lange Zeit das primäre Kommunikationsmedium und ich habe über die viele aufregende Personen kennengelernt - die Teilnehmer an der Silvesterfeier des Hohen Rathes der Dreizehn Weisen vom Feed werden sicherlich wissen, was ich meine.
Zu dieser Channelparty^W^Wdiesem Newsgrouptreffen von de.talk.bizarre
am 31.12. hatte ich rund 20 Leute nach Kiel eingeladen, die ich noch niemals vorher in Persona gesehen hatte und die sich auch untereinander dort größtenteils zum ersten Mal getroffen haben.
Das war eine wirklich gute Feier.
Heute brät USENET meistenteils im eigenen Saft - die Diskussionen dort sind alt, ich habe sie in den vergangenen 16 Jahren meiner Anwesenheit dort viele Male gesehen.
Erst neulich habe ich mein Zugangspaßwort für news.individual.net
wiedergefunden und erstaunt gemerkt, daß ich es für zwei Monate verloren hatte - ich hatte nicht einmal bemerkt, daß es dem Reader aus der Konfiguration gerutscht war, weil ich ihn schlicht nie aufgerufen habe.
Heute lese ich auf news.individual.net , daß mein Zugang dort in Zukunft Geld kosten wird und eine Neuanmeldung erforderlich ist. Der Betrag ist angenehm niedrig - 10 Euro pro Jahr (!).
Dennoch habe ich beschlossen, daß der 31. März 2005 der letzte Tag meiner Anwesenheit in den USENET News sein wird - es ist die Mühe nicht mehr wert.
Mein Reader ist inzwischen Akregator, und wer mit mir diskutieren will, der kann das in den Kommentaren meines Blogs tun oder mich trackbacken. Blogs kann man haufenweise schnell und einfach bekommen - supersized.org ist möglicherweise nicht die schlechteste Wahl.
In diesem Sinne: 16 Jahre sind genug. Lebewohl, USENET!