GNU GPL in Deutschland

(via Groklaw )
Sitecom GmbH in Freising ist das Ziel einer einstweiligen Verfügung des Netfilter/Iptables-Projektes. Demnach ist es Sitecom untersagt, ihr auf Netfilter basierendes Produkt weiter zu vertreiben, bis sie allen Bedingungen der GPL nachkommen.
Die GPL (General Public License) ist eine Lizenz. Sie gibt einem das Recht, ein urheberrechtlich geschütztes Werk (hier: netfilter/iptables) zu verwenden, zu modifizieren und zu verbreiten, wenn man den Verpflichtungen der Lizenz nachkommt.
Im Fall gewöhnlicher Lizenzen bedeutet dies meist eine Zahlung von Lizenzgebühren. Im Fall der GPL ist die Nutzung kostenfrei gestattet, aber die GPL verlangt, daß man den Quelltext des Gesamtproduktes, in dem die GPL-Software enthalten ist, ebenfalls unter der GPL freigibt.
Das bedeutet, um GPL-Software nutzen zu können, muss man nach denselben Regeln spielen wie die GPL selber. Dies stellt sicher, daß das Ausgangprojekt frei verfügbar ist und daß alle Modifikationen und Ableitungen aus dem Ausgangsprojekt ebenfalls frei verfügbar bleiben. Es ist also nicht möglich, GPL-Software aufzusaugen und für sich zu nutzen und der GPL-Entwicklergemeinde die eigene Arbeit vorzubehalten.
Wem dies nicht gefällt, der kann versuchen, von dem Urheber des Projektes die Rechte zur Nutzung der Quellen unter einer anderen Lizenz zu bekommen. MySQL und Qt sind solche mehrfach lizenzierten Projekte, wie ich in einem älteren Artikel geschildert habe.
Die einstweilige Verfügung gegen Sitecom ist übrigens noch nett. Sie ist quasi der letzte Versuch der Netfilter-Leute, Sitecom noch entgegenzukommen: Dem Netfilter-Projekt stünde es frei, Sitecom die Lizenz zur Nutzung des Netfilter-Codes dauerhaft und unwiderruflich zu entziehen. Die einstweilige Verfügung dagegen stellt ganz klar, daß es Sitecom offen steht, den Netfilter-Source weiterzuverwenden, sobald Sitecom allen Bedingungen der GPL nachkommt.
Es ist unklar, warum Sitecom diese Gelegenheit und vorangehende Einigungsversuche mit Netfilter nicht nutzt. Die Historie der Einigungen mit anderen Netfilter-Nutzern zeigt deutlich, daß Netfilter Nutzer ihres Codes erst einmal ganz zivil und abmahnungsfrei auf die GPL und die sich daraus ergebenden Bedingungen hinweist. Nur weil Sitecom diesem Versuch einer gütlichen Einigung nicht nachgekommen war, sah sich Netfilter gezwungen zu juristischen Mitteln zu greifen, um ihr Recht durchzusetzen.
Dies ist die erste Anwendung der GPL vor Gericht überhaupt. Alle anderen Konflikte, in denen es um die GPL und ihre Gültigkeit geht, sind bisher außergerichtlich zur Zufriedenheit aller Parteien gelöst worden. Daher ist nach all den Jahren immer noch ungeklärt, ob die GPL vor Gericht Bestand haben kann, auch wenn die meisten Juristen inzwischen der Auffassung sind, daß es besser so wäre - wäre die GPL nicht gültig, gäbe es überhaupt keine Lizenz, nach der die Nutzung einer nur unter der GPL lizenzierten Software erlaubt wäre und damit würde automatisch das normale Urheberrecht gelten, das die Nutzung fremder Werke (ohne Lizenz) automatisch verbietet.